Eine alte Apfelbaumallee sollte in Zwettl der neuen Umfahrungsstraßeweichen. Ein Konflikt bahnte sich an. Dann schaltete sich einWaldviertler Lebensmittelgroßhändler ein.
Text: Marko Locatin Fotos: Sebastian Freiler
20 Jahre lang hatte die Umweltinitiative Ökokreis in Zwettl (NÖ) eineAllee mit 88 Apfelbäumen betreut. Dabei ging es nicht um irgendwelcheBäume, sondern um den Erhalt alter, seltener Apfelsorten. Das Projektfand breite Zustimmung in der Bevölkerung, die Bäume wurden liebe-voll gepflegt. Doch dann drohte ein Verkehrsprojekt der Allee ein Endezu bereiten. Um die Verkehrsbelastung des Ortes zu verringern, wurdemit der Planung einer Umfahrungsstraße begonnen. Dafür sollte diekleine Allee weichen.
Straße statt Apfelbaumallee
Nach ersten Diskussionen wurde die Umfahrung zunächst um einige Me-ter verlegt. Statt der insgesamt 88 alten Bäume sollten nun „nur“ noch 55gefällt werden. Das war für den Verein und seine Unterstützer nicht ak-zeptabel. Die Ökokreis-Geschäftsführerin Ute Blaich startete daraufhineinen Aufruf zur Rettung der Bäume. Dieser kam auch dem Geschäfts-führer des Großhandelshauses Kastner, Christof Kastner, zu Ohren. Derschaltete seinen Nachhaltigkeitsbeauftragten Lukas Schlosser ein.
Konstruktives Miteinander statt Konflikt
„Wir haben uns gemeinsam überlegt, wie wir die Bäume retten können“,erzählt Schlosser. „Unsere Idee war, die Bäume umzusiedeln, aber damitsind wir anfangs auf große Vorbehalte gestoßen. Alle haben gesagt: Einenalten Baum kann man nicht verpflanzen, der wird in der neuen Umge-bung nicht überleben.“ Gemeinsam mit dem Ökokreis, der schon überreiche Erfahrung im Umgang mit den Bäumen verfügte, machte man sichan die Arbeit. Die Bäume, die im Frühjahr schon in Blüte standen, wur-den zurechtgestutzt und entwurzelt. „Dann haben wir sie Stück für Stück,alle 55, mit dem Bagger zum neuen Standort chauffiert“, erzählt Schlosser.„Das war schon eine lustige Reise. Die Leute haben natürlich geschaut,sind aber hinter dem Projekt gestanden, denn so einen Baumbestandkann man nicht einfach ersetzen.“
Kostspielige Baumreise
Daraufhin wurden die Bäume behutsam in einer wahrhaft idyllischenUmgebung eingepflanzt – einem Grundstück des Stifts Zwettl. „DieKosten pro Baum wurden auf rund 1.000 Euro geschätzt. Das Projektwäre so nicht finanzierbar gewesen. Wir haben aber mit dem Ökokreisweitere regionale Partner gewonnen, die uns in der Umsetzung unter-stützt haben. Auf diese Weise haben wir es gemeinsam geschafft. Die 55Bäume, die wir vor mittlerweile zwei Jahren gerettet haben, stehen jetztgesund und munter im Stift“, freut sich Schlosser, „und noch im selbenJahr haben wir geerntet.“
Überhaupt pflegt die Kastner Gruppe mit dem gemeinnützigen Vereinzur „Förderung biologischer, ökologischer und sozialer Initiativen“, derim nahen Ottenschlag beheimatet ist, seit Jahren eine äußerst fruchtbareBeziehung. Auch der Kastner Apfel geht auf eine Initiative des Ökokreiseszurück – eine Geschichte, die Ökokreis-Geschäftsführerin Ute Blaich im-mer wieder gerne erzählt.
Neu entdeckte Apfelsorte
„Auf dem Gelände der Uttissenbachmühle nahe Zwettl, Wohnort derFamilie Kastner, stießen Mitarbeiter unseres Vereins eines Tages auf einenkleinen roten Apfel unbekannter Herkunft, den sie Kastner Apfel oderKindergartenapfel nannten“, erinnert sich Blaich. „Kastner Apfel nachdem Fundort, Kindergartenapfel, weil er seiner geringen Größe wegen
gut für Kinder geeignet ist. Christof Kastner war dann einmal mit seinenKindern bei uns. Da hab ich seiner Tochter den Apfel gleich zum Probie-ren gegeben. ‚Schmeckt gut‘, hat die Kleine gesagt.“ So entstand die Idee,diesen Apfel offiziell zu bestimmen und in die Liste der althergebrachtenApfelsorten eintragen zu lassen. Nach offizieller Bestimmung des Sorten-musters durch die Abteilung Obstbau des Bundesamtes für Wein undObstbau in Klosterneuburg wurde der Apfel, bei dem es sich wohl umeinen Abkömmling der bekannten Sorte Jonathan handeln dürfte, offiziellals „Kastner Apfel“ anerkannt.
Apfel als Sensibilisierungsprojekt
Der Kastner Apfel durfte daher auch unter diesem Namen vermarktetwerden, kommt allerdings nicht in den Verkauf, bestätigt Lukas Schlos-ser. „Wir verwenden ihn für Sensibilisierungsprojekte. Wir fahren bei-spielsweise mit Schulklassen zu den Bäumen, machen diese Diversität
für die Kinder direkt erlebbar und erklären auch die ökologischenZusammenhänge. Ein Apfelbaum ist ja ein ganzes Ökosystem.“
Achtsamkeit gegenüber der Natur
Der Nachhaltigkeit im Allgemeinen und dem Thema Apfel im Besonde-ren widmet sich die Kastner Gruppe in Zwettl auch mittels ökologischerBetriebsgestaltung sowie eines vielfältigen Biosortiments. „Ich weiß, es istein sperriges Wort, aber es geht uns um Biodiversität. Das kann manauch allgemein mit biologischer Vielfalt übersetzen“, erklärt Schlosser beiunserem Rundgang auf dem Firmengelände und weist auf die Blumen-beete hin: „Für das Ökosystem weitgehend nutzlose Pflanzen haben wirdurch ökologisch wertvolle Nutzpflanzen ersetzt, die auch gleichzeitig alsNahrungsquelle für Nützlinge wie Insekten und Vögel dienen.“ Um dievielfältigen Nachhaltigkeitsinitiativen des Großhandelshauses zu kommu-nizieren, wurde vor einiger Zeit ein eigenes Siegel geschaffen: „Aus gutemGrund“. Welche Idee dahintersteckt? „Unsere ökologischen Aktivitätenverfolgen ein ganz klares Ziel: sicherzustellen, dass wir unsere Lebensmit-tel auch für zukünftige Generationen aus gutem Grund – also aus wert-vollem Boden – anbieten können“, so Lukas Schlosser.
Operation Baumrettung: Insgesamt 55 Apfelbäumehaben jetzt eine neue Heimat beim Stift Zwettl.
„Ein Apfelbaum ist ja ein ganzesÖkosystem.“
Fruchtbare Zusammenarbeit: Kastner-Nachhaltigkeitsbeauftragter Lukas Schlosserund Ökokreis-Geschäftsführerin Ute Blaich spazieren durch den „Garten dergeretteten Bäume“.
Alle Kastner-Nachhaltigkeits-initiativen stehen unterdem Dachnamen
„Aus gutem Grund“.
NACHHALTIGES GESCHENK
Barbara Böhmer vor ihrem Apfel-bäumchen, einem Geschenk desGroßhandelshauses Kastner: „Manmuss heute versuchen, dem Über-flüssigen zu widerstehen – deshalbfreu ich mich so über ein regiona-les altes Apfelbäumchen.“